Trauer um Andrée Thérèse Leusink: 14.5.1938 – 9.4.2020
27. April 2020
Wir trauern um unsere Kameradin und Freundin Andrée Thérèse Leusink, die in der Nacht zum 9.4. nach langer, schwerer Krankheit verstarb. Die unnachgiebige Antifaschistin und Schoa-Überlebende war Gründungsmitglied unseres Vereins. Ihrer Familie und ihren Freund*innen gilt unsere aufrichtige Anteilnahme. Andrée wird fehlen.
Foto: Andrée bei der Gedenkdemo an die Novemberpogrome 1938 am 9.11.2014 in Moabit. Nachrufe: Siehe unten sowie in junge Welt und neues deutschland
Andrée Thérèse Leusink (14.5.1938 – 9.4.2020)
Antifaschistin und Gründungsmitglied der Pankower VVN-BdA
Andrée wurde im französischen Exil geboren. Ihre Mutter Juliette Leder, geb. Brandler, starb früh an den Folgen der Verfolgung. Ihr Vater, der Schriftsteller Stephan Hermlin, konnte nur beschränkt für sie da sein, da er in der Illegalität lebte. Andrée überlebte dank französischer Widerstandskämpfer/-innen und der Hilfsorganisation Œuvre de secours aux enfants (OSE). Die Organisation war dem Schutz bedrohter jüdischer Kinder verpflichtet, und versteckte Andrée zunächst in Kinderheimen. Als die Razzien zunahmen, schmuggelte die OSE sie in die Schweiz, wo sie bei einer Pflegefamilie unterkam. Auch ihrem Vater gelang die Flucht in die Schweiz. Andrées Leben wurde geprägt durch die Zeit des Faschismus und die unmenschlichen Verbrechen, die Deutsche in dieser Zeit verübten.
Nach dem Krieg kam Andrée zu ihrem Vater nach Berlin. Sie besuchte dort die Oberschule, studierte Geschichte, Sport, später auch Pädagogische Psychologie sowie Philosophie und wurde Lehrerin. Bei vielen Schüler/-innen hinterließ sie einen bleibenden Eindruck. Sie bemühte sich, ihnen das Entstehen und die Auswirkungen von Antisemitismus und Rassismus nahe zu bringen, um eine Wiederkehr des Faschismus und der Schoa zu verhindern. Mit vielen ihrer Schüler/-innen verband sie eine lebenslange Freundschaft.
Nach dem Ende der DDR arbeitete Andrée als Lehrerin für Psychologie in einem Studienkolleg mit jungen Erwachsenen. Sie gründete einen antifaschistischen Gesprächskreis Pankower Schüler/-innen sowie Lehrer/-innen und war Mitbegründerin der Kommission für Bürgerarbeit Pankow, die dem aufkeimenden rechten Gedankengut entgegentrat. Hier organisierte sie auch gemeinsam mit anderen Lehrer/-innen Gedenkstättenfahrten für Schulklassen nach Auschwitz, da sie der Überzeugung war, dass nur das Wissen über die Vergangenheit jungen Menschen hilft, sich nicht vom faschistischen Gedankengut in der Gegenwart beeinflussen zu lassen. Sie war ebenfalls Mitbegründerin der Pankower VVN-BdA, war seitdem bis vor kurzem noch aktiv im Vorstand, und gestaltete die Arbeit unseres Vereines auf Bezirks- und Landesebene mit zahlreichen Veranstaltungen und Reden. Ihr wichtigstes Projekt war die 1999 erstmals durchgeführte Lichterkette in Pankow zum Gedenktag an die Auschwitz-Befreiung am 27.Januar, die in den letzten Jahren wieder mehr und mehr Teilnehmer/-innen fand.
Andrée, Du fehlst uns! Wir und viele Menschen, die Dich kennenlernen durften, denen Du in Deiner Haltung ein Vorbild warst, werden weiter gegen menschenverachtende Ideologien, Antisemitismus, Faschismus und Krieg kämpfen und dabei an Dich denken.
Vorstand der VVN-BdA Berlin-Pankow e.V.