Ein Licht der Hoffnung in sich verdunkelnder Zeit

1. Februar 2017

Andrej Hermlin am 27. Januar 2017

Andrej Hermlin am 27. Januar 2017

Die 19. Pankower Lichterkette und Kundgebung gegen Rassismus und Antisemitismus zog etwa 260 Menschen an.

Mehr Menschen als in vielen früheren Jahren versammelten sich am 27. Januar 2017, dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz duch sowjetische Truppen, vor dem ehemaligen Jüdischen Waisenhaus in der Nähe des S- und U-Bahnhofs Pankow. Viele hatten Kerzen mitgebracht. Auch ein Antifa-Transparent gegen Antisemitismus, eine Fahne der „Antifaschistischen Aktion“ und selbstverständlich die Fahnen der VVN-BdA waren zu sehen. Ein Teilnehmer trug eine kleine Flagge des jüdischen Staates Israel.
Wieder einmal wurde die Veranstaltung von der Pankower Lehrerin Ilona Nack moderiert. Gleich zu Beginn bezog sie Stellung gegen die nationalistischen Ausfälle des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke, der zehn Tage zuvor eine „180-Grad-Wende“ in der deutschen Erinnerungskultur gefordert hatte – ob gleich zurück zu den Völkischen von vor 1945 oder doch nur in die geschichtsvergessene BRD der 1950-er Jahre, hatte Höcke offen gelasssen.

Frau Nack, die wie Höcke früher Geschichte unterrichtet, sagte: „Ich bin nicht schuldig an den Verbrechen der Nazis, ich bin Jahrgang 1951, aber ich würde mich schuldig machen, wenn ich zuließe, dass diese Verbrechen in Vergessenheit geraten.“ Außerdem wies Frau Nack auf die Gedenktafeln mit den Namen der jüdischen Opfer des Naziregimes aus Pankow hin, die nunmehr jedes Jahr von November bis Februar am Zaun des ehemaligen Waisenhauses hängen. Der Pankower Geschichtsaktivist Gerhard Hochhuth hat etwa 70 Namen ermordeter Jüdinnen und Juden recherchiert, die bislang nicht bekannt waren. Diese Namen sollen auf den Gedenktafeln ergänzt werden und die Pankowerinnen und Pankower sind deshalb zum Spenden aufgerufen. Weitere Infos hier
Die eigentliche Eröffnung der Kundgebung nahm der neue Pankower Bürgermeister Sören Benn von der Linkspartei vor. Er verwies unter anderem darauf, wie gefährlich es sei, wenn Menschen auf ihren ökonomischen Nutzwert reduziert würden, und dass anti-humanistische Tendenzen auch heute noch – und wieder verstärkt – in der Gesellschaft wirksam sind. Leider benannte Herr Benn nicht konkret, welche Kräfte in der heutigen Gesellschaft es sind, die Menschenverachtung und soziale Spaltung propagieren.
Der bekannte Pankower Jazz- und Swing-Musiker Andrej Hermlin war der nächste Redner. In schöner, pointierter Sprache gab er seiner Erschütterung darüber Ausdruck, dass sich ein großer Teil der deutschen Bevölkerung von der Demokratie offenbar abgewendet hat und stattdessen rechten Hasspredigern folgt. Wir haben seine Rede ebenso wie der von Sören Benn dokumentiert und veröffentlichten sie weiter unten im Beitrag
Eine sehr kämpferische und deutliche Rede wurde anschließend von einer Vertreterin des „Unabhängigen Jugendzentrums Pankow“ (JUP) in der Florastraße gehalten. Sie kritisierte das Versagen des etablierten Politikbetriebs gegenüber der neuen rechten Massenbewegung und rief zur Mobilisierung der Gegenkräfte, zur Verteidigung der eigenen Strukturen auf. Auch diese Rede haben wir hier publiziert.
Nach den Redebeiträgen bewegten sich die Teilnehmenden der Kundgebung auf die nahe gelegene Kreuzung an der Pankower Kirche und hielten dort eine Schweigeminute für die Opfer des nazistischen Terrorregimes ab. Viele der Versammelten gingen danach zur Abschlussveranstaltung in die Kirche, die unter anderem durch Chöre von Pankower Schulen gestaltet wurde.
Die rege Beteiligung an der diesjährigen Lichterkette ist erfreulich. Sie zeigt die Sorge vieler Menschen über die aktuelle politische Lage an – aber auch ihren Willen, gegen die Gefahr von rechts auf die Straße zu gehen.
RedeAndrejHermlin27012017

RedeJUP27012017

RedeSörenBenn27012017