07./08.10: Konferenz: Der (un)vergessene Widerstand der Arbeiter

7. Oktober 2014

Perspektiven für Geschichtsbewusstsein und Erinnerungskultur

7./8. November 2014 im Haus der Demokratie und Menschenrechte

Der Arbeiterwiderstand gegen das NS-Regime war vergleichsweise umfangreich, er wies erhebliche Kontinuität auf und hatte die größten Verluste zu beklagen. Trotzdem dominiert in der Öffentlichkeit die Annahme, es habe neben den „Männern des 20. Juli“, den Kirchen und der „Weißen Rose“ kaum Widerstand gegeben. Neue Forschungen zeigen, dass die nach wie vor geringe Kenntnis über die zahlreichen Facetten des Arbeiterwiderstandes nicht einem Mangel an Quellen geschuldet ist.

Die Tagung möchte einen Beitrag leisten, das Gedenken an die Widerständler – die sich als Handelnde und weniger als „Opfer“ eines nicht zu beeinflussenden Gangs der Geschichte begriffen – stärker in die sich ändernde Erinnerungskultur zu integrieren. Diese „neue“ Erinnerungskultur kann – jenseits von Schwarz-Weiß-Denken, Verdrängungstendenzen oder Heldenverehrung – eigenständige Deutungen durch das Nachdenken über die Komplexität historischer Abläufe anregen und Schlüsse für heutiges Handeln entwickeln. Geschichtsbewusstsein benötigt das Wissen um das Geschehene, und den vergleichenden Blick auf das heute: Ob da etwas ähnlich ist? Unter Einbeziehung von Studien jüngerer Autoren/innen zum Widerstand gegen das NS-Regime aus den Reihen der Arbeiterbewegung soll erörtert werden, was die Geschehnisse der Vergangenheit – „Gleichschaltung“, Politik zwischen Anpassung und Widerstand, Entscheidungen Einzelner für oder gegen widerständiges Handeln – für die Gegenwart bedeuten.

Gerade weil die Zeitzeugen größtenteils verstorben sind, fordern die historischen Ereignisse besonders Menschen, denen es um Geschichtsvermittlung in Schulen, Gedenkstätten, Vereinen oder Gewerkschaften geht, dazu auf, danach zu fragen, was für Schlüsse aus den Erfahrungen zu ziehen sind, z.B. im Hinblick auf Handlungsmöglichkeiten in Krisen, Gegenstrategien gegen Rassismus und Neonazismus sowie beim Umgang mit Menschen- und Bürgerrechten. Ein „neues Geschichtsbewusstsein“ sollte individuelle Alltagsentscheidungsmöglichkeiten im NS-Regime bzw. die Spielräume für eigenverantwortliches Handeln vermitteln.

Wir wollen der Frage nachgehen, inwieweit sich im Hinblick auf widerständiges Handeln aus der Arbeiterschaft Bezüge zu Themen eröffnen, die im öffentlichen Diskurs eine Rolle spielen. Wie wirkt sich die heutige „Medienfixiertheit“ auf die Vermittlung neuer Forschungsergebnisse und auf Geschichtsbewusstsein aus? Wie gelangen neue Erkenntnisse zu Multiplikatoren in Schulen und Jugendarbeit und wie können sich schulische und außerschulische Akteure stärker vernetzen? Woran liegt es, dass in Schulen der Arbeiterwiderstand im Gegensatz zum bürgerlichen und militärischen selten thematisiert wird? Und dies, obwohl Menschen aus unterschiedlichen Strömungen der Arbeiterbewegung die ersten waren, die aktiv Widerstand gegen das NS-Regime leisteten.

Die Verantwortung bei der Förderung von Geschichtsbewusstsein liegt darin, „Wahrheit“ als Perspektivenvielfalt zu repräsentieren – ohne in Relativismus zu verfallen. Dies erzwingt – gerade unter dem Gesichtspunkt der Einbeziehung von Migranten/innen – Überlegungen zum Umgang mit „Normalisierungstendenzen“.

Programm

Freitag, 7. November 2014

19.30 Uhr

Filmvorführung

„Dein unbekannter Bruder“ (1981)

Hamburg 1935. Der Antifaschist Arnold Clasen kommt aus der KZ-Haft zurück und schließt sich erneut einer Widerstandsgruppe an. Da er überwacht wird, lebt er unauffällig, meidet den Kontakt mit den Genossen. Die Isolation macht ihm zu schaffen, er sucht die Freundschaft zu seinem Kontaktmann Walter. Arnold möchte jemandem vertrauen, doch das Misstrauen ist groß. Zu der Gefahr von außen kommt der Verrat in den eigenen Reihen. Es gibt Verhaftungen in der Gruppe, Arnold schöpft Verdacht, dass Walter der Verräter ist…

Obwohl für die Internationalen Filmfestspiele in Cannes nominiert, erhielt der Film in der DDR eine Exportsperre und wurde aus den Kinos genommen. Zunächst in Vergessenheit geraten, wurde der „psychologisch ausgefeilte“ Film (Cinema) im Rahmen der DEFA-Retrospektive „Rebels with a Cause“ 2005 im Museum of Modern Art in New York gewürdigt.

Anschließend Diskussion mit Dr. Detlef Kannapin (Filmhistoriker), Ulrich Weiß (Regisseur) und dem Schauspieler Uwe Kockisch (Arnold Clasen), angefragt.

Samstag, 8. November 2014

10.00 bis 10.15 Uhr
Was sich verändert und was bleibt? Eröffnung der Konferenz
Dr. Hans Coppi (Historiker, Vorsitzender der Berliner VVN-BdA e.V.)

10.15 bis 11.00 Uhr
Erinnern – aus welchem Grund, für wen? Der Arbeiterwiderstand gegen das NS-Regime in einer sich wandelnden Erinnerungskultur
Dr. Hans-Rainer Sandvoß (Politikwissenschaftler, Gedenkstätte Deutscher Widerstand)

11.00 bis 11.45 Uhr
„Nicht alle Deutschen waren Nazis“ – Zur schulischen Vermittlung des Arbeiterwiderstandes
Thomas Altmeyer M.A. (Politikwissenschaftler, Studienkreis Deutscher Widerstand 1933–1945)

11.45 bis 12.15 Uhr
Eigen-Sinn und Agency – (Arbeiter-)Geschichte schülerorientiert vermitteln
Prof. Dr. Martin Lücke (Historiker und Geschichtsdidaktiker, FU Berlin)

12.15 bis 12.30 Uhr
Erinnerung in der Praxis – Die deutsch-polnische Erinnerungskooperationen zum KZ und Zuchthaus Sonnenburg in Słońsk
Gerhard Eichin (Leiter des Kath. Schulzentrums „Bernhardinum“, Fürstenwalde)

12.30 bis 13.30 Uhr
Mittagspause (incl. Catering)

13.30 bis 14.00 Uhr
Widerstand und Verfolgung von Gewerkschafter/innen im Nationalsozialismus – Hat Forschung einen Erinnerungsauftrag?
Dr. Stefan Heinz (Politikwissenschaftler, FU Berlin)

14.00 bis 14.15 Uhr
Lernen aus der eigenen Geschichte – Vorstellung einer Videoreihe zur Verfolgung und zum Widerstand aus den Reihen des Deutschen Metallarbeiterverbandes
Christian Schletze-Wischmann (Bezirksjugendsekretär der IG Metall-Jugend Berlin-Brandenburg-Sachsen)

14.15 bis 14.30 Uhr
Der lange Weg zum Denkmal – Lokales Gedenken an den Widerstand in den Askania-Werken in Berlin-Marienfelde
Dr. Bärbel Schindler-Saefkow (Historikerin)

14.30 bis 14.45 Uhr
Fragt uns, wir sind die Letzten… – Vorstellung eines Zeitzeugenprojektes
Malte Goßmann (Berliner VVN-BdA e.V.)

14.45 bis 15.30 Uhr Kaffeepause

15.30 bis 16.00 Uhr
Gedenkstättenpädagogik zwischen historischer Kenntnisvermittlung und Gegenwartsbezug
Dipl.-Pol. Sabine Kritter (Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen)

16.00 bis 16.30 Uhr
Neue Forschungen zum Arbeiterwiderstand – Wie lassen sich Erkenntnisse und Widersprüche aus der Vergangenheit vergegenwärtigen?

Abschlussdiskussion mit:
Dipl.-Pol. Dennis Egginger,
Dipl.-Pol. Julia Pietsch,
Dipl.-Pol. Claudia Kröber
(Doktoranden/innen am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der FU Berlin)

Moderation: Dr. Elke Reuter (Historikerin)

Veranstaltungsort:

Haus der Demokratie und Menschenrechte (Robert-Havemann-Saal),

Greifswalder Straße 4,

10405 Berlin

Tram 4, Bus (200, 124), Haltestelle „Am Friedrichshain“

Veranstalter:

„Helle Panke“ e.V. – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin

http://www.helle-panke.de/ / http://www.rosaluxemburgstiftung.de/

Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA)

Start

Stiftung „Haus der Demokratie und Menschenrechte“

http://www.hausderdemokratie.de/

Anmeldung hier:

(Kosten: Freitag 2,00 Euro, Samstag 7,50 Euro / ermäßigt 4,00 Euro)