Antimuslimische RechtspopulistInnen formieren sich in Berlin
1. Februar 2011
In der Februarausgabe der Berliner VVN-BdA-Zeitung „Unser Blatt“ veröffentlichte unsere Kreisvereinigung einen Beitrag, der die in Berlin zunehmends aktiveren sogenannten RechtspopulistInnen ein wenig genauer unter die Lupe nimmt.
Diese Aktivitäten werden im Hinblick auf die Abgeordnetenhauswahlen im September 2011 auch in Pankow nicht ausbleiben, schließlich ist der Vorsitzende der Partei „Die Freiheit“, René Stadtkewitz, im Bezirk kein Unbekannter.
Im folgenden dokumentieren wir den ungekürzten Artikel:
Antimuslimische RechtspopulistInnen formieren sich in Berlin
Beitrag von VVN-BdA Berlin-Pankow e.V.
Während sich die Partei „Die Freiheit“ des Pankower CDU-Abtrünnigen René Stadtkewitz eng an das Vorbild des erfolgreichen niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders anlehnt, handelt es sich bei der sogenannten „Bürgerbewegung Pro Deutschland – Landesverband Berlin“ um den Berliner Ableger von „Pro Köln“ bzw. „Pro NRW“. Diese in Nordrhein-Westfalen in mehreren Stadträten und Kreistagen vertretene Partei pflegt enge Kontakte zum flämisch-separatistischen, extrem rechten „Vlaams Belang“ aus Belgien und zur „Freiheitlichen Partei Österreichs“ (FPÖ).
Sowohl „Die Freiheit“ als auch „Pro“ agitieren schwerpunktmäßig gegen den Islam und die Muslime. Dabei stellen sie nicht einfach nur Neuauflagen der
neonazistischen NPD dar, sondern argumentieren durchaus raffinierter.
Insbesondere betreiben die RechtspopulistInnen das, was UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon im Herbst 2010 die „Anrufung liberaler Werte im Dienste antiliberaler Anliegen“ genannt hat : Islamische und besonders islamistische Doktrinen und Praktiken, die aus linker Sicht in der Tat zu verurteilen sind, sollen die Diskriminierung von Menschen muslimischen Hintergrunds in europäischen Gesellschaften rechtfertigen. So sprechen die RechtspopulistInnen immer wieder die religiös begründete Zurücksetzung der Frauen, islamische Homosexuellen- und Judenfeindlichkeit sowie die unmenschlichen Vorschriften des islamischen Rechts an. Diese Punkte werden auch von linken und demokratischen Oppositionellen aus islamisch geprägten Ländern immer wieder angeprangert.
Die weitaus meisten RechtspopulistInnen entdeckten ihr Herz für die Menschenrechte von Frauen, Homosexuellen und Juden freilich erst, als es galt, die Rechte muslimischer Menschen einzuschränken. Hauptanliegen der RechtspopulistInnen ist die Abschottung Europas gegen Einwanderung aus ärmeren Weltgegenden und die Einführung von Unterdrückungsmaßnahmen gegen die hier lebenden Menschen mit muslimischem Hintergrund. Die größte Sorge der RechtspopulistInnen gilt der angeblichen „Islamisierung“ Europas und dem vermeintlichen „demografischen Heiligen Krieg“. Die statistisch höheren Geburtenzahlen muslimischer Familien führten angeblich auf lange Sicht zu einer Übernahme der europäischen Gesellschaften durch den Islam. Die Menschen aus muslimischen Ländern, die auf der Suche nach einem guten Leben hierher gekommen sind, verlieren so ihre Individualität und mutieren zu AgentInnen einer ferngesteuerten „Islamisierung“. Diese verschwörungstheoretischen Verdächtigungen und die damit einhergehenden Sorgen um den biologischen Bestand der europäischen Nationen zeigen, wie nah sich der neue antimuslimische Rechtspopulismus und die alte extreme Rechte Europas dann doch wieder sind.
Die antimuslimische Argumentation verfährt stets nach folgendem Dreischritt:
I. Pauschalisierende Konstruktion der „Fremden“ und der „Eigenen“
Die Vielfalt der Lebensweisen und Lebensentwürfe der Millionen Menschen muslimischen Hintergrunds verschwindet hinter einem in den düstersten Farben ausgemalten Bild des Islams „an sich“, der umstandslos mit Terrorismus, Gottesstaat, Frauenunterdrückung usw. gleichgesetzt wird. Zur Untermauerung werden gern Aussagen islamistischer Führer herangezogen, ohne zu hinterfragen, inwieweit diese für die Mehrheit der hier lebenden Muslime verbindlich sind. Die eigene, christlich geprägte Gesellschaft wird demgegenüber zum leuchtenden Idealbild, das gerettet und verteidigt werden muss. Ungleichheit der Geschlechter, Homophobie, Antisemitismus und dergleichen werden nur im islamischen Gegner, nicht aber im Eigenen wahrgenommen und thematisiert.
II. Kulturalisierung und Ethnisierung sozialer Probleme
In Deutschland existiert eine in bestimmten Stadtvierteln räumlich konzentrierte, teilweise migrantisch geprägte, ökonomisch perspektivlose Unterschicht, bei der Kriminalität, Drogenprobleme usw. häufiger als im Durchschnitt der Bevölkerung vorkommen. Die RechtspopulistInnen machen einseitig und vereinfachend den Islam und die aus diesem angeblich folgende „Integrationsverweigerung“ für diese Situation verantwortlich. Die Verantwortung politischer Entscheidungen, kapitalistischer Verhältnisse und des Rassismus der Mehrheitsgesellschaft für die Marginalisierung vieler Menschen türkischer, kurdischer und arabischer Herkunft wird ausgeblendet und geleugnet. Eine gleichberechtigte politische und wirtschaftliche Teilhabe der Menschen, deren Eltern einst als billige Arbeitskräfte nach Deutschland geholt wurden, war jahrzehntelang weder von den gesellschaftlichen Führungsgruppen noch von der Bevölkerungsmehrheit gewollt und wurde gezielt vereitelt. Die in weiten Teilen rassistische „Sarrazin-“ bzw. „Integrationsdebatte“ macht den MuslimInnen einmal mehr klar, dass sie bei einem Großteil der deutschen Gesellschaft unerwünscht sind. So werden Tendenzen der Abschottung und des Rückzugs auf teilweise menschenverachtende religiöse und kulturelle Traditionen begünstigt.
III. Diskriminierung von MuslimInnen und Zuteilung ungleicher Rechte
Die politische Agenda der RechtspopulistInnen besteht aus Repressalien gegenüber MuslimInnen und verfestigt weiter deren Status als „Fremde“. Einige Beispiele hierfür wären Forderungen nach einem Zuwanderungsstopp, schnellerer Abschiebung von MuslimInnen, einer „Deutschpflicht“ während der Pausenzeiten in Schulen und der Unterbindung von Moscheeneubauten. Der diskriminierende Charakter solcher Maßnahmen wird sehr schnell deutlich: Dergleichen würde im Hinblick auf andere Religionsgemeinschaften oder Bevölkerungsgruppen nie ernsthaft diskutiert werden.
Die Weise, in der RechtspopulistInnen eine Gruppe von Menschen pauschal mit negativen Zuschreibungen belegen, sie für gesellschaftliche Probleme verantwortlich machen und daraus die Zuteilung ungleicher Rechte ableiten, rechtfertigt es, von einem neuartigen, antimuslimischen Rassismus zu sprechen. Das Jahr 2010 war geprägt von einer beispiellosen Aufschwung dieses neuen Rassismus in der Gesellschaft. Längst haben SpitzenpolitikerInnen von CDU/CSU, SPD und FDP derartige Standpunkte übernommen.
Mindestens zehn versuchte Brandanschläge auf islamische Einrichtungen hat es 2010 in Berlin gegeben. Die Propaganda der RechtspopulistInnen im beginnenden Berliner Wahlkampf wird die Lage weiter verschärfen. Für Linke und AntifaschistInnen gilt es einmal mehr, sich dem Rassismus entgegenzustemmen – im Rahmen des 2010 gegründeten Bündnisses „Rechtspopulismus stoppen“ ebenso wie in persönlichen Gesprächen mit Nachbarn, MitschülerInnen, Bekannten, Verwandten und KollegInnen.
Weitere Informationen:
www.rechtspopulismusstoppen.blogsport.de