Im Gedenken an Inge Lammel

14. Juli 2015

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Im Gedenken an Inge Lammel (1924-2015), Ehrenvorsitzende der Pankower VVN-BdA

Gut 15 Jahre ist es nun her, dass einige jüngere Antifaschist/innen begannen, sich verstärkt für die VVN-BdA Pankow zu engagieren und nach und nach immer mehr Verantwortung zu übernehmen. Inge war Gründungsmitglied des Vereins gewesen und arbeitete von Anfang an mit uns Jüngeren zusammen.

Zu diesem Zeitpunkt, also um das Jahr 2000 herum, hatte sich Inge bereits viele Jahre lang der Erforschung des vom Nazismus zerstörten jüdischen Lebens in Pankow gewidmet. Wir sahen es als eine unserer zentralen Aufgaben an, die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit in der Öffentlichkeit zu verbreiten, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Die von Inge Lammel dem Vergessen entrissene jüdische Geschichte Pankows den Heutigen, besonders Jugendlichen nahezubringen – das halten wir für einen unschätzbaren Beitrag zur Bekämpfung des alten und neuen Antisemitismus.
So hat die Pankower VVN-BdA in den vergangenen Jahren die Herausgabe der Bücher von Inge unterstützt und diese Werke bei zahlreichen Festen und Veranstaltungen an viele Leute verkauft. Wir haben die von Inge erstellte Ausstellung zum jüdischen Leben Pankows in Schulen und öffentlichen Gebäuden gezeigt, haben Veranstaltungen und Führungen dazu organisiert. Mehrmals konnten wir Gruppen von Schülerinnen und Schülern für Inges Rundgang zu ehemaligen Stätten jüdischen Lebens gewinnen.
So lange es ihre Kräfte zuließen, hat sich Inge immer wieder der Aufgabe unterzogen, bei solchen Anlässen aufzutreten und zu sprechen. Nun, wo sie von uns gegangen ist, denke ich, dass wir noch viel mehr solche Veranstaltungen hätten organisieren müssen. Aber ich bin doch froh, dass wir ihre Ausstellung in grundlegend erneuerter und überarbeiteter Form für die Zukunft retten konnten, dass wir ihr letztes großes Buch zum jüdischen Waisenhaus noch herausbringen konnten und dass wir den Rundgang zu jüdischen Stätten übernommen und mehrfach durchgeführt haben, seitdem Inge dies nicht mehr leisten konnte – auch wenn wir natürlich nie ihren Kenntnisreichtum und ihre Gabe der Vermittlung werden ersetzen können.
Inge hat in diesen Jahren der Zusammenarbeit einen tiefen Eindruck auf mich gemacht. Trotz ihres übergroßen Vorsprungs an Wissen und Erfahrung behandelte sie uns Jüngere nie von oben herab, sondern immer als gleichberechtigte Kampfgefährten. Die ungeheure Sorgfalt und Ernsthaftigkeit, mit der sie die jüdische Geschichte Pankows bearbeitete, stellt mir, der ich auch ein Historiker bin, ein fachliches Vorbild dar.
Doch die in meinen Augen hervorstechendste Eigenschaft von Inge war ihre persönliche Bescheidenheit. Wir mussten sie regelrecht drängen, auch einmal etwas von sich selbst, von ihrer eigenen reichen Geschichte zu erzählen. Ich weiß noch, wie ich sie einmal bei einer Veranstaltung darum gebeten habe und sie sinngemäß antwortete: „Ach nein, das ist doch nicht so interessant und wichtig, lasst uns lieber beim eigentlichen Thema bleiben.“ Dieses Thema war natürlich die jüdische Geschichte von Pankow. Heute bedauere ich es, nicht mehr nachgefragt und erfahren zu haben.
Inge Lammel repräsentierte ein von tiefstem Humanismus durchdrungenes, linkes, antifaschistisches, deutsch-jüdisches Intellektuellentum, dass es in dieser Form heute kaum noch gibt und dem wir alle unendlich viel verdanken. Als Persönlichkeit und Wissenschaftlerin hat sie uns ein überreiches Vermächtnis hinterlassen.
Wir von der Pankower VVN-BdA werden weiter mit Inges Werken arbeiten – mit den Büchern, der Ausstellung, dem Rundgang –, und so ihr Vermächtnis weitertragen. Und wir werden immer voller Dankbarkeit und Zuneigung an unsere langjährige Ehrenvorsitzende zurückdenken.

Ein Vertreter der VVN-BdA Berlin-Pankow e.V.