Erklärung des Netzwerks der Lagergemeinschaften: „Dem Rechtsruck entgegentreten“

21. September 2017

OdF-Tag

Den weltweiten Rechtsruck nehmen Vertreter_innen der von den ehemaligen Häftlingen der Konzentrationslager gegründeten Interessenverbände zum Anlass für eine Erklärung. In der Bundesrepublik bietet gerade der zu befürchtende Einzug der AfD in den Bundestag Anlass zu großer Sorge. Wir dokumentieren die Erklärung im folgenden

Aus Anlass der Bundestagswahl am 24. September 2017

Mit überaus großer Besorgnis nehmen wir, die Vertreter der von den ehemaligen Häftlingen der Konzentrationslager gegründeten Interessenverbände, den weltweiten Rechtsruck und die Erfolge der Rechtspopulisten in Europa und Deutschland zur Kenntnis.

Vor dem Hintergrund des ungebremsten globalen Kapitalismus haben sich Armut und soziale Ungerechtigkeit sowie die damit einhergehenden gesellschaftlichen Konflikte in den letzten Jahren erheblich verschärft. Armut, anhaltende Kriege und religiös begründete Radikalisierung führen weltweit zu instabilen Verhältnissen und großen Flüchtlingsbewegungen.

Eine allgemeine Verunsicherung äußert sich momentan europaweit in dem Wieder-aufleben nationalistischer und völkischer Ideologien, die sich nicht nur gegen alles vermeintlich Fremde und Andersartige und ein geeintes Europa richten, sondern auch gegen die über Jahrzehnte erkämpften Errungenschaften der demokratischen Zivilgesellschaft. Diese Werte und Errungenschaften, Offenheit und Akzeptanz, Solidarität und Mitbestimmung, Emanzipation und Schutz von Minderheiten, nicht zuletzt die Freiheit der Presse und von Wissenschaft, Kunst und Kultur, gilt es mit allen Kräften zu verteidigen und den reaktionären Tendenzen entgegenzutreten.

In einigen Ländern Europas sind Rechtspopulisten schon an der Regierung, in anderen konnte dies nur durch den Zusammenschluss aller demokratischen, antifaschistischen Kräfte verhindert werden. Besonders unerträglich für uns ist der Erfolg der AfD in Deutschland, die mit Islam- und Fremdenfeindlichkeit sowie weiteren rechten Positionen ein bedrohlich großes Wählerpotential erreichen kann. Ihre Vertreter bezeichnen die Gedenkkultur an die nationalsozialistischen Verbre-chen als Zeichen der Schande und fordern ein Ende der „politischen Korrektheit“.

Dies geschieht in einer Zeit, in der nur noch wenige Überlebende der Konzen-trationslager aus eigenem Erleiden Auskunft über die Verbrechen des Nationalsozialismus geben können.

Im „Vermächtnis der Überlebenden“ erklärten 2009 die Vertreter von zehn internationalen Häftlingsverbänden:

„ (…) Aber auch Europa hat seine Aufgabe: Anstatt unsere Ideale für Demokratie, Frieden, Toleranz, Selbstbestimmung und Menschenrechte durchzusetzen, wird Geschichte nicht selten benutzt, um zwischen Menschen, Gruppen und Völkern Zwietracht zu säen. (…) Die letzten Augenzeugen wenden sich an Deutschland, an alle europäischen Staaten und die internationale Gemeinschaft, die menschliche Gabe der Erinnerung und des Gedenkens auch in der Zukunft zu bewahren und zu würdigen. Wir bitten die jungen Menschen, unseren Kampf gegen die Nazi-Ideologie und für eine gerechte, friedliche und tolerante Welt fortzuführen, eine Welt, in der Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus keinen Platz haben sollen.“

Wir, die wir dieses Vermächtnis fortführen, wenden uns deutlich gegen jegliche Form rechter, menschen- und demokratiefeindlicher Ideologien und Tendenzen und stellen uns dieser wachsenden Bedrohung, gemeinsam mit allen demokratisch Gesinnten, nach Kräften entgegen.

Nach dem sich abzeichnenden Ende der Zeitzeugenschaft kommt den KZ-Gedenkstätten und den Gedenkstätten und Museen zum NS-Terror eine noch größere Bedeutung in der Vermittlung der Geschichte zu. Daher fordern wir von der  Bundesregierung und den Landesregierungen eine intensivere Förderung dieser Gedenkstätten und Museen. Ebenso fordern wir alle Vertreter der demokratischen Parteien auf, dies zu unterstützen und sich für eine bessere Ausstattung der Gedenkstätten einzusetzen, insbesondere im Bereich der pädagogischen Arbeit. Junge Menschen müssen die Möglichkeit erhalten, sich qualifiziert und differenziert mit diesem Teil der Geschichte zu beschäftigen, um sich kritisch mit den Inhalten des Rechtspopulismus auseinandersetzen zu können.